- Mit einer Vollfinanzierung kannst Du eine Immobilie kaufen, ohne Eigenkapital bei der Bank vorzuweisen
- Die 110-Prozent-Finanzierung deckt darüber hinaus die Kaufnebenkosten ab
- Diese Finanzierungen bergen Risiken – vor allem Zinsen fallen deutlich höher und die Vergabekriterien sind hoch
Die Überschrift klingt wie ein kleiner Traum. Denn das wird für viele Menschen immer schwieriger: Eine Immobilie kaufen, ohne ausreichendes Eigenkapital zu besitzen – geht das überhaupt? Ja, aber es muss einiges bedacht werden. Wir klären auf!
Üblicherweise sollte der/die Kreditnehmer:in beim Immobilienkauf mindestens 25% Eigenkapital – also eigene Ersparnisse – einbringen. Sonst drohen, sofern man eine Bank findet, im Rahmen der Baufinanzierung in der Regel höhere Zinsen. Wer das Geld nicht parat hat, kann in bestimmten Fällen auf die Vollfinanzierung – auch 100-Prozent-Finanzierung genannt - zurückgreifen.
Bei einer Vollfinanzierung erhältst Du von Deiner Bank ein Darlehen für den Kauf Deiner gewünschten Immobilie – ohne selbst Eigenkapital für den Kaufpreis aufzubringen. Klingt erst mal toll, doch um die Vollfinanzierung in Anspruch nehmen zu dürfen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Ein festes hohes Einkommen, ein sicherer Arbeitsplatz sowie eine einwandfreie Schufa-Auskunft sind notwendig – ebenso spielen die Lage und der Zustand Deiner Wunsch-Immobilie eine große Rolle. Banken möchten sicher sein, dass die Immobilie bei Zahlungsstörungen eine ausreichende Kreditsicherheit darstellt. – bei baufälligen oder besonderen Gebäuden oder einer unbeliebten Lage gestaltet sich das schwieriger.
Wichtig ist, welche Kosten in der Vollfinanzierung inbegriffen sind: Hier wird lediglich das Objekt – also das Haus oder die Wohnung – finanziert. Noch nicht abgedeckt sind die Kaufnebenkosten. An dieser Stelle kommt die zweite Variante ins Spiel: die 110-Prozent-Finanzierung.
Bei dieser Baufinanzierung benötigst Du - bei Erfüllung der Voraussetzungen - keinerlei Eigenkapital.
Bei der 110-Prozent-Finanzierung werden auch die Kaufnebenkosten in die Baufinanzierung, in der Regel als zusätzlicher Ratenkredit, aufgenommen. Dieser Betrag spiegelt sich nicht im Immobilienwert wieder und kann folgendes abdecken:
- Grunderwerbssteuer: Diese wird bei jedem Immobilienkauf in Deutschland fällig und basiert auf dem Grunderwerbsteuergesetz (GrEstG). Die Höhe darf jedes Bundesland selbst bestimmen und liegt zwischen 3,5 und 6,5%.
- Notarkosten: Jeder Immobilienerwerb muss in Deutschland notariell beurkundet werden, damit er rechtskräftig ist. Die Kosten richten sich nach der Höhe des Kaufpreises und liegen bei etwa 1,5%.
- Maklerprovision: Seit Dezember 2020 ist es gesetzlich geregelt, dass der/die Käufer:in die Gebühr beim Hauskauf oder Wohnungskauf nicht alleine tragen muss. Beauftragt der/die Verkäufer:in einen Makler, muss er/sie mindestens die Hälfte der Maklergebühren selbst zahlen. Die Höhe variiert je nach Bundesland und kann bis zu 7,14% betragen.
- Grundbucheintragung: In einem amtlichen Register ist festgehalten, wem in Deutschland welche Immobilien gehören und welche Belastungen auf dem Objekt liegen – so wirst auch Du beim Kauf eines Hauses oder einer Wohnung in das Grundbuch eingetragen. Ebenso die notwendige Grundschuld für die finanzierende Bank. Die Kosten richten sich nach dem Kaufpreis der Immobilie und der Darlehenshöhe– als Richtwert gelten ca. 1,5%. Enthalten sind auch hier Kosten für die notarielle Beglaubigung.
Die Vorteile liegen auf der Hand und wirken erst einmal verlockend: Du benötigst kein Vermögen auf der hohen Kante, um eine Immobilie zu kaufen. Die Bank gewährt Dir ein Darlehen über den gesamten Kaufpreis des Hauses oder der Wohnung, ohne dass Du selbst Eigenkapital einbringen musst. Du bleibst, sofern Eigenmittel vorhanden sind, liquide und hast ggfls. etwas für die neue Einrichtung Deiner Immobilie zur Verfügung.
Du musst nicht warten, bis Du genug Eigenkapital zusammen gespart hast, sondern kannst die Wunschimmobilie kurzfristig kaufen und bewohnen. Somit sparst Du Kosten für die Miete und investierst Dein Geld in Deine eigene Immobilie. Wenn es gut läuft, partizipierst Du an den potentiellen Wertsteigerungen der Immobilie.
Natürlich hat diese Methode eine Kehrseite. Ein Eigenheim zu kaufen, ohne ein finanzielles Polster zu besitzen, birgt ein Risiko und nicht jede Bank begleitet dieses Unterfangen.
Immobilien- sowie Kaufnebenkosten sind im Rahmen des Kredites bei der Bank abgedeckt – bedenke jedoch, dass neben den sowieso schon höheren Zinsaufwänden für die hochauslaufenden Darlehen weitere Kosten auf Dich zukommen können. Zum Beispiel:
- Angemessene Tilgungsleistung: Je höher das Darlehen, desto länger dauert die Rückzahlung. Um die Finanzierung in einem angemessenen Zeitraum – spätestens zum einsetzenden Rentenalter - zurückzuführen, musst Du ausreichend hoch tilgen. Sei es durch einen hohen monatlichen Anteil oder zusätzlich eingeräumte Sondertilgungsrechte. Berücksichtige dies in Deiner Belastungsrechnung.
- Versicherungen: Als Eigentümer:in einer Immobilie solltest Du Dich, wo es sinnvoll ist, absichern. Je nach Immobilie und gewünschter Absicherung entstehen hier weitere Aufwände.
- Gutachten: Beim Haus- oder Wohnungskauf besteht die Möglichkeit, einen/eine Gutachter:in zu beauftragen. Dieser Schritt ist vor allem bei älteren Bestandsimmobilien empfehlenswert. Die Kosten fallen unterschiedlich aus und können bei einem Vollgutachten bis zu 1,5% des Hauswertes betragen. Kurzgutachten gibt es günstiger.
- Instandhaltung: Als Immobilieneigentümer musst Du Rücklagen bilden, um den Wert Deiner Immobilie zu erhalten. Addiere einen ausreichenden Posten auf Deiner Ausgabenseite.
- Grundsteuer: Als Eigentümer bezahlst Du Grundsteuer. Je nach Lage und Ausstattung des Objektes kann auch diese Position Dein monatliches Budget deutlich belasten.
Sollte es im schlimmsten Fall dazu kommen, dass Du zahlungsunfähig wirst und die Raten nicht mehr bedienen kannst, dann besteht insbesondere bei einer Vollfinanzierung das Risiko, dass der zwangsweise Immobilienverkauf keine ausreichende Rückführung des Bankdarlehens und der Rückstände ermöglicht. Du bleibst dann auf einer Restschuld sitzen.
Hast Du für diese möglichen Kosten nicht genügend finanzielle Rücklagen, ist der Traum von den eigenen vier Wänden schnell ausgeträumt.
Generell gilt: Je mehr Eigenkapital Du als Käufer:in einbringst, desto niedriger die Zinsen bei der Bank. Heißt: Ohne Eigenkapital kann der Zinssatz, insbesondere für nachrangige Grundschulden, am Ende doppelt oder dreifach ausfallen. Und auch wenn das aktuelle Zinsniveau aktuell im historischen Vergleich immer noch niedrig ist, entstehen deutliche Mehrkosten im Vergleich zu einer klassischen 80% Finanzierung.
Denke als Kreditnehmer:in auch an die Anschlussfinanzierung: Am Ende der Zinsbindung besteht, je nach Laufzeit und Tilgungssatz des Darlehens, eine höhere Restschuld, die getilgt werden muss. Du zahlst den Kredit bei der Bank also länger ab und setzt Dich dem Risiko aus, dass bei einer kürzeren Zinsbindung im Falle eines deutlichen Zinsanstiegs Deine Belastung deutlich steigen kann.
Du möchtest nicht mehr zur Miete wohnen, sondern ein Haus oder eine Wohnung kaufen? Wenn Du kein oder zu wenig Eigenkapital besitzt und nicht die Risiken der Vollfinanzierung und 110-Prozent-Finanzierung eingehen möchtest – oder keine bekommst, bieten sich Dir inzwischen neue Alternativen.
Wie wäre es, wenn Du gemeinsam mit anderen eine Immobilie kaufst? Im Rahmen der Co-Ownership besitzt Du lediglich Anteile einer Immobilie und kannst schrittweise so viel Eigenkapital beisteuern, wie es Dir möglich ist. – Für den Dir nicht gehörenden Anteil leistest Du ein Nutzungsentgelt. Mit neuen Anbietern wie Wohntraum wird das möglich – die Organisation und Abwicklung wird Dir darüber hinaus noch abgenommen.
Eine weitere Möglichkeit ist der Mietkauf von Immobilien. Hier mietest Du ein Haus oder eine Wohnung, um die Immobilie zu einem späteren Zeitpunkt zu kaufen. Die Konditionen werden bereits bei Abschluss des Mietkauf-Vertrages festgehalten und sind unabhängig der Zinsentwicklung. Die bis zum Kauf gezahlte Miete ist dabei schon Bestandteil für den späteren Kauf und wird entsprechend mit dem Kaufpreis verrechnet. Über die Zeit erwirbst Du also bereits sukzessive – nämlich mit jeder Leasingrate – Anteile an der Immobilie.
Mit einer Vollfinanzierung und einer 110-Prozent-Finanzierung bestehen im Einzelfall besondere Angebote von Banken: Du erhältst einen Kredit für den Kauf einer Immobilie, ohne Eigenkapital mitbringen zu müssen – wenn Du entsprechende Voraussetzungen wie hohes Einkommen und einwandfreie Schufa-Auskunft erfüllst.
Doch diese Finanzierungsform birgt höhere Risiken: Je weniger Eigenkapital Du beim Hauskauf beisteuerst, desto höher die Zinsen des Kredites. Darüber zahlst Du das Haus oder die Wohnung über einen längeren Zeitraum ab – und nimmst im Zweifel höhere Zinsen bei der Anschlussfinanzierung in Kauf. Im Worst-Case Deiner Zahlungsunfähigkeit könntest Du auf einer Restschuld sitzen bleiben.
Bei einer 110-Prozent-Finanzierung werden zusätzlich die Nebenkosten für Dich als Kreditnehmer:in von Deiner Bank finanziert - beachte jedoch, dass darüber hinaus weitere Kosten (wie z.B. Instandhaltungsrücklagen, höhere Tilgungen, Versicherungen, Gutachten ) entstehen. Ob der Kauf einer Immobilie mit fehlendem Eigenkapital sinnvoll ist oder nicht, hängt also immer von persönlichen Gegebenheiten ab – bedenke jedoch alle Folgekosten. Generell ist bei jedem Hauskauf wichtig, finanzielle Polster zur Verfügung zu haben. Lass Dich im Vorfeld detailliert zum Thema Baufinazierung beraten.